Die Drei Ehrengesellschaften Kleinbasels erwerben dank erfolgreicher Spendenaktion ein herausragendes Gemälde von Joseph Esperlin.
Die Drei Ehrengesellschaften Kleinbasels erwerben dank erfolgreicher Spendenaktion ein herausragendes Gemälde von Joseph Esperlin (1707-1778).
"Die Riehentorstrasse mit Greif, Wildmann, Pfarrer Buxtorf, Löwe und Heiligem Theodor" (1756)
Foto: Daniel Spehr |
Das Gemälde, des ursprünglich aus Oberschwaben stammenden und als Kirchenmaler bekannt gewordenen Malers Joseph Esperlin, zeigt eine seltene Ansicht der Riehentorstrasse mit dem Gesellschaftshaus der Ehrengesellschaft zum Rebhaus, dem Rebhausbrunnen und dem Riehentor Mitte des 18. Jahrhunderts. Nicht allein die zeitgenössische Abbildung der Drei Ehrenzeichen macht das Bild für die Drei Ehrengesellschaften besonders wertvoll, sondern die einzigartige, fast karikaturenhaft dargestellte Geschichte, welche der Maler wie auf einer Theaterbühne abspielen lässt:
Die Szene bringt den grossen Disput um die Daseinsberechtigung der Umzüge der Drei Ehrengesellschaften (3E), welcher Mitte des 18. Jahrhunderts die Gemüter in Gross- und Kleinbasel bewegte, auf den Punkt. Unter anderem ausgelöst durch den plötzlichen Tod des Leu-Darstellers bei einem Tanz im Jahre 1750, erregte der Volksbrauch vor allem in kirchlichen Kreisen grosses Missfallen. Von den Kanzeln herab wurde gegen "heidnischen Greuel" und "Bacchanalien" gepredigt und verschiedene gedruckte, bis heute erhaltene Streitschriften unters Volk gebracht. Besonders eifrig betätigte sich dabei der Pfarrer der Theodorskirche: August Johann Buxtorf. Anlässlich einer Predigt am Tage des Mahls der Ehrengesellschaft zum Rebhaus wurde ihm zugetragen, man beabsichtige ihn deshalb in den Rebhausbrunnen zuwerfen, woraufhin er sich in der Sakristei versteckt habe. Im Gemälde von 1756 zeigt der Maler wie der Leu, das Ehrenzeichen der Ehrengesellschaft zum Rebhaus, den Pfarrer am Kragen packt, um ihn in den Rebhausbrunnen zu tauchen. Auf einer Wolke herabschwebend greift dann allerdings imposant der Heillige Theodor ein, Namensgeber der nahen Theodorskirche und Schutzpatron der Winzer und vor der Reformation wohl auch der Ehrengesellschaft zum Rebhaus.
Der über einige Jahre wogende Disput ging letztlich zu Gunsten der 3E aus, nicht zuletzt Dank einer überzeugenden Schrift von Johann Jakob Spreng, Professor für Rhetorik an der Universität Basel und damaliger Pfarrer im Waisenhaus. Zum Dank erweist das Spiel der 3E seither und bis zum heutigen Tag dem Waisenvater mit einem Tanz im Waisenhaus jährlich die Ehre. Das Gemälde war seit seiner Entstehung in Basler Privatbesitz - höchstwahrscheinlich immer in derselben Familie. Bekannt war es allein aus einer schwarz-weiss Abbildung in der Schrift " Die Umzüge der Kleinbasler Ehrenzeichen, ihr Ursprung und ihre Bedeutung" des Volkskundlers E.F. Knuchel aus dem Jahre 1914. Diese Schrift wurde von den 3E in verschiedenen, ergänzten Auflagen mehrmals nachgedruckt und bis Mitte der achtziger Jahre neuen Gesellschaftsmitgliedern bei deren Aufnahme überreicht.
2018 wurde das Bild in einer Auktion angeboten, von der die 3E nur durch grossen Zufall wenige Tage vorher erfahren haben. Da die begrenzten Mittel der 3E für den Erhalt des Brauchtums "Vogel Gryff" und das soziale Engagement im Kleinbasel bestimmt sind, kam ein Ankauf aus Gesellschaftsmitteln nicht in Frage. Das Bild konnte aber von einem Gesellschaftsmitglied für die 3E gesichert werden. Dank äusserst grosszügigen Spenden von über 150 Gesellschaftsmitgliedern und ehemaligen Gesellschaftsmitgliedern, Beiträgen von weiteren Personen sowie dank der Unterstützung der Christoph Merian-Stiftung und der Niggi Schoellkopf-Stiftung, konnte das einzigartige Gemälde kürzlich unter Beisein der Sponsoren in feierlichem Rahmen definitiv in den Besitz der 3E überführt werden. Das gesellschaftsinterne Fundraising war dabei so erfolgreich, dass das Spendenziel weit übertroffen wurde und ein substantieller Betrag der Uelisammlung für bedürftige Menschen im Kleinbasel zugewiesen werden konnte. Der Aufenthalt von Joseph Esperlin in Basel war bisher ab 1757 gesichert, aber bereits früher vermutet. Mit der Datierung dieses Gemäldes ist sein Wirken in Basel ab 1756 sicher. Der kunsthisthorische Wert des Gemäldes zeigt sich auch daran, dass von Esperlin bisher keine weiteren Stadtansichten überliefert sind. Bekannt ist der Maler in Basel vor allem durch seine herausragenden Porträts der wohlhabenden Bürgerschaft, von denen sich zahlreiche in der Sammlung des Historischen Museums Basel befinden, sowie durch allegorische Ausstattungsmalereien in spätbarocken Bürgerhäusern (u.a. Supraporten im Wildt'schen Haus und im Haus zum Raben in der Aeschenvorstadt). Schweizweit ist Esperlin durch Deckenfresken in der hochbarocken St. Ursen-Kathedrale in Solothurn bekannt.
Für Kunsthistoriker und die 3E gibt das Gemälde einige Fragen und Rätsel auf, die noch auf ihre Lösung warten: Das Bild ist mit Sicherheit eine Auftragsarbeit; wer aber ist der Auftraggeber und welche Intention verfolgte er damit? Wurde das Gemälde nach seiner Fertigstellung als gemaltes Pamphlet öffentlich diskutiert oder gelangte es geradewegs in die Privaträume des Auftraggebers? Und wie kommt ein katholischer, oberschwäbischer Kirchenmaler, der sich erst seit kurzem im reformierten Basel aufhält, dazu, sich mit dieser Darstellung zwischen die Fronten eines wogenden gesellschaftlichen Disputs zu stellen? Die seit 1914 überlieferte, offensichtliche Fehlinterpretation von E.F. Knuchel, dass der Heilige Theodor dem angegriffenen Pfarrer Buxtorf zu Hilfe eilt, konnte hingegen zwischenzeitlich korrigiert werden: Etliche Kunsthistoriker, die das Gemälde in den letzten Monaten gesehen haben, sind klar der Ansicht, dass der Beistand des Heiligen Theodors nicht Pfarrer Buxtorf zukommt, sondern ganz im Gegenteil dem Leu, also den Drei Ehrengesellschaften.
Die Drei Ehrengesellschaften Kleinbasels schätzen sich glücklich und stolz, dieses besondere Gemälde dank der grossartigen Unterstützung von Gesellschaftsmitgliedern und Stiftungen nun in ihrem Besitz zu haben und hoffen, die spannenden Fragen und Geschichten, welche sich darin verbergen, in naher Zukunft lösen zu können.